Autismus verknüpft mit den Erfahrungen aus der Kunsttherapie
Was ist an Heilung möglich? Was ist überhaupt möglich?
Autismus ist eine Wahrnehmungsstörung. Bei einem Menschen mit autistischer Behinderung funktionieren manche Sinnesorgane überdurchschnittlich, andere jedoch schlecht. Im Gehirn entsteht so keine normale Koordination sinnlicher Wahrnehmung, sondern eine Desorientierung ein in Panik auslösendes Chaos von Eindrücken, die nicht erfasst werden können. Der Autist ist bestrebt, sich zu schützen und entwickelt dabei seine Verhaltensweisen, die in seiner Umgebung zu einer Beunruhigung und Belastung führen. Diese Verhaltensweisen verstärken sich zu Stereotypien (ein Wiederholen von sprachlichen Äusserungen oder motorischen Abläufen). Auch das nicht in die Augen sehen seines Mitmenschen ist typisch für den Autisten, also sein Blick. Ich denke, Autismus ist vielschichtig.
Die Ziele der Förderung der Kunsttherapie sind sicherlich das
Herstellen von Beziehungen. Weiter ist das Ziel, über die Sprache
von Bildern eine Interaktion einzuleiten. Das Stärken von
Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl. Im Weiteren über die
gestalterischen Prozesse eine Unterstützung zum persönlichen
Werden resp. zu persönlichem Wachstum beitragen zu dürfen.
Die Förderung von Konzentration, Ausdauer und Wahrnehmung und
dadurch eine psychische Stabilität zu erlangen.
Ein Erlebnis, ein Gefühl oder eine Sorge zu malen, kann zu einem
entlastenden Erlebnis werden, weil es nicht länger ausschliesslich
im Innern des Menschen verwahrt werden muss.
Das Erlebnis des Malens mit diesem 11-jährigen Jungen bestärkt mich persönlich in meinem Glauben, dass in der Kunsttherapie der Therapeut nicht ich bin, sondern die Person, die ich animiere, sich selbst zu heilen. Meine Funktion ist die eines Katalysators. Über den Erfolg meiner Anwesenheit beurteilt die göttliche Anwesenheit: wenn der Wunsch beim Leidenden zur Heilung so gross ist wie bei mir, dann geben sie den Einschwung und verbinden mit uns zwei unsere Seele. Andererseits, wenn kein Wunsch innerlich die leidende Person öffnet, sind sie genau wie ich machtlos. So sehe ich meine Arbeit als eine Mitarbeit zwischen drei Parteien. Meine Verantwortung liegt im Wort: ich bin die verbindende Person zwischen Himmel und der leidenden Person.
Dieser 11-jährige Junge ist innerlich gross wie ich ihn wahrnehme.
Was das Malen bei ihm bewirkt, ist, die Ruhe, in die er jeweils kommt.
Das Malen wirkt nach bei ihm gemäss seiner Mama. Er formuliert
besser (dass er nicht nur mit einem „Wort-Satz“
kommuniziert) und ist gewandter; es wirkt sich auf alles aus. Dies ist
während drei bis vier Tagen für das Umfeld spürbar. Und
er freut sich jedes Mal, ins Malatelier zu kommen, und er
persönlich sagt mir den nächsten Termin, den er bereits
zuhause in seiner Agenda nachgesehen hat. Seine Mama versuchte seit
Jahren, ihn zum Malen zu bewegen.
Nun der Kommentar seiner Mama zur ersten Sitzung von ihm:
„Im Leben geht immer wieder eine Türe auf. Es fällt
meinem autistischen Sohn schwer, sich auf Neues einzulassen. Da er
unter permanenter Reizüberflutung leidet, sind neue Eindrücke
meistens zu viel für ihn. Trotzdem ist es immer wieder nötig,
den Horizont zu erweitern – mit viel Geduld und
Fingerspitzengefühl gelingt das auch bei einem autistischen Kind.
In unserem Fall ist es immer hilfreich gewesen, eine neue Situation
schon im Vorfeld zu besprechen und in Gedanken, das, was passieren kann
oder wird, durchzuspielen. So ist es möglich Eckpunkte zu setzen,
die später helfen, die neue Situation konkret zu meistern.
Als wir Béatrice Moesch kennenlernten, habe ich meinem Sohn
vorgeschlagen, einen Besuch im Malatelier zu machen. Das heisst, die
Türe öffnen, einen Blick hineinwerfen und wieder gehen.
Natürlich gab es zuerst Sorgenfalten und Gejammer. Als wir aber im
Malatelier waren, verlangte mein Sohn ziemlich schnell nach Papier und
Pinsel und fing mit malen an. Es war sehr schön zu erleben, wie
beruhigend und wohltuend das Malen sein kann. Mein oft überdrehter
und nervöser Sohn kam ganz zu sich. Er meldet sich jetzt immer
wieder zum Malen an. Zuhause haben wir inzwischen eine Bildergalerie
eingerichtet, die immer wieder mit neuen Bildern bestückt
wird“.
Und noch zum Abschluss dies: mich hat die Begegnung mit diesem
jungen Mann sehr, sehr berührt. Er ist mir auch von Anfang an sehr
vertraut wie er rüber kommt. Ich habe das Gefühl, als, dass
ich ihn schon lange kennen würde. Ich spüre ihn äusserst
gut und nehme ihn wahr als innerlich jemand „GROSSEN“.
Das „Nein“ (Bild 1) ist weit weg im Keller. Er sagt dazu, dass das „Nein“ gross bleibt. Es ist bezeichnend für ihn; er sagt zu allem immer stets nein. „Nein“ ist sein Wort und daher darf es auch gross bleiben…..
Das „Ja“ (Bild 2) hängt auch im Keller, weit weg. Kein Kommentar von ihm dazu.
Der „Pürierstab“ (Bild 3) hängt an der
Türe gegenüber seiner Zimmertüre. Er erzählt
jeweils, dass er Leute, mit denen er nicht klarkommt, pürieren
resp. zerhacken will. Hier ist Aggression vorhanden. Und was verbirgt
sich hinter der Aggression? Ein Schutzmechanismus, sein
Schutzmechanismus, um in der für ihn „schwierigen“
Welt bestehen zu können.
Béatrice Moesch - Atelier für Ausdrucksmalen & freie Malgestaltung - Telefon 078 751 09 16